Sonntag, 25. Februar 2024

Statistik & Markt

 














Foto: ekapolsira | Adobe Stock

Es lohnt sich, hie und da Statistiken zu lesen, denn Zahlen erklären manche Trends besser, als es Analysten könnten. In Österreich leben z.B. rund 2,4 Millionen Menschen mit sogenanntem  Migrationshintergrund, also entweder schon österreichische Bürger oder eben eingewandert. Das ist mehr als ein Viertel der Bevölkerung, und man darf mit Recht annehmen, dass deren Konsumgewohnheiten auch Auswirkungen auf den heimischen Markt haben.


Man darf, ja, man sollte, wenn man seine Umsatzchancen am österreichischen Markt planen will, diese Ziffern beachten. Denn eines ist sicher, bei aller rosig gefärbten Ansicht über Integration, diese Bevölkerungsschicht ist weit davon entfernt, ihre Konsumgewohnheiten in der neuen „Heimat“ zu ändern. Das betrifft so ziemlich alle Nationalitäten, die einen mehr, die anderen weniger. Man darf ruhig annehmen, dass sich die über 200.000 deutschen Neubürger nicht so stark in ihrem Konsumverhalten von dem unsrigen unterscheiden wie die 80.000 Syrer, die ebenfalls in unserem Land leben. Um nicht rassistisch zu wirken – im Marketing zählt nur das Kaufverhalten, nicht die Herkunft, sondern auch die Kaufkraft der Zielgruppe. Und da zeigen sich natürlich schon Trends, die den gesamten Markt beeinflussen, denn die Gruppe, um die es hier geht, ist mit rund 26 Prozent eine qualitativ große neue Konsumentenschicht, aber bei der Kaufkraft noch lange nicht auf dem österreichischen Durchschnittswert. Es ist allerdings schwierig, zu bestätigen, dass gewisse Entwicklungen auf diesen demographischen Trend zurückzuführen sind, auszuschließen ist es allerdings genau so wenig.
So hat „Standort + Markt“ in einer Studie, die im Jänner veröffentlicht wurde, festgestellt, dass mittlerweile 15 Prozent der Ausgaben der Bevölkerung im Diskont landen. Insgesamt rund zehn Milliarden macht diese Handelsgruppe Umsatz. Dazu stellt das Institut fest, dass das Einkaufen  beim Diskonter heutzutage salonfähig geworden ist. Während die klassischen Händler mit einem Umsatzminus zu kämpfen haben und unrentable Filialen geschlossen werden, ist das Wachstum bei den Aktionsmärkten extrem hoch. Speziell im Osten des Landes wird das meiste Geld in die Diskontkassen gespült. Der Wiener Markt ist dabei ein noch speziellerer Standort, denn hier beträgt der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund an der Bevölkerung rund 45 Prozent und ist damit auch beim Konsumverhalten stark spürbar. Wir haben im Zuge unserer Recherche eine Aktion in einem Wiener Möbelhaus beobachtet, wo in einer riesigen Kiste Besteckteile aller Art hineingeschüttet wurden, jeder Teil um einen sehr geringen Stückpreis – das Interesse war riesig und die Käuferschicht sehr einseitig. Da haben wir erstmals überlegt, dass Haushaltsgerätschaft für die vielen Flüchtlinge eigentlich ein Luxusartikel ist, aber trotzdem gesucht und gebraucht wird. Die unzähligen Angebote, auch bei den Diskontern, zeigen, dass dabei hohe Nachfrage besteht. Hier ist allerdings ausschließlich der Preis entscheidend. Diese Gruppe umfasst sicher über eine halbe Million neuer Konsumenten mit unterschiedlicher Konsumgewohn-heiten.
Etwas anders agieren da sicherlich die rund 600.000 Einwanderer aus den EU-Staaten. Es darf angenommen -werden, dass diese in vielen Fällen Kunden bei den Online-Shops sind, die ja bereits aus den Heimatländern eine bekannte Größe waren. Dafür würde auch die Tatsache sprechen, dass der Online-Handel weiter kontinuierlich wächst. Rund EUR sechs Mrd. macht der Umsatz in diesem Sektor aus, wobei hier Amazon mit über einer Milliarde Euro weit an der Spitze liegt. Bestseller in dieser Statistik sind Unterhaltungselektronik, Bekleidung und Sportartikel, wobei in den letzten Jahren auch Garten- und Tierbedarf, Haushalts- und Drogeriewaren aufgeholt haben. Im Jahr 2023 ist die ausgelieferte Paketanzahl um 20 Mio. auf 368 Mio angestiegen, rund 54 Prozent werden durch die Post ausgeliefert.
Als zusätzliche Veränderung der Handelsszene auch aufgrund von Zuwanderung sind die Ethno-Läden zu sehen, die speziell in Wien in der Vorstadt stark zugenommen haben. Vor allem türkische Lebensmittelläden sind im Stadtbild stark verankert. Ganz zu schweigen von den Märkten, wo orientalisches Flair fast schon ein Anziehungspunkt auch für alteingesessene Bewohner ist. Wobei in den Läden eben „heimische“ Ware angeboten wird, und bei den Fleischwaren auch religiöse Vorschriften eingehalten werden. Auch eine entsprechende Gastronomie ist spürbar vorhanden, und hier zeigt es sich, dass auch die Ausstattung aus den entsprechenden Ländern vorherrscht, so dass für die Gäste eine „heimatliche“ Atmosphäre geschaffen wird. Daher wird auch bei Haushaltswaren eben dieser heimatliche Stil nachgefragt, und wer z.B. die orientalische Küche kennt, der weiß, dass hier auch andere Gefäße als in unseren Breiten gefragt sind.
Aber wir wollen uns natürlich in erster Linie um unsere Branche und den dafür in Frage kommenden Konsumenten befassen. Zusammenfassen kann man daher den „Multi-Kulti Markt“ dahingehend kennzeichnen, dass hier in erster Linie günstige Produkte nachgefragt und vor allem für die orientalische Küche geeignete Gefäße angeboten werden könnten. Die große Gruppe der EU-Bürger, die bei uns heimisch ist, kommt wahrscheinlich mit dem bestehenden Angebot zurecht, allerdings gehören diese in großer Zahl zu den treuen Online-Shoppern.
Wir wollen uns aber auch mit anderen statistischen Werten beschäftigen, die unsere Branche beeinflussen, und beginnen wieder mit dem -leidigen Thema „verloren gegangene Hochzeitslisten“. In Österreich heiraten durchschnittlich zwischen 40.000 bis 50.000 Paare pro Jahr. Wenn diese Paare  alle irgendwo eine Hochzeitsliste auflegen würden, wäre das sehr schön. Aber es ist nicht erwiesen, dass diese Paare auch gleichzeitig einen neuen Hausstand gründen und nicht aus einer bereits bestehenden Lebensgemeinschaft hervorgehen,  d.h. nicht schon jahrelang zusammengelebt haben und daher meist auch bereits voll eingerichtet sind. 
Statistisch gesehen leben 22 Prozent der österreichischen Paare auch ohne Trauschein in einer Lebensgemeinschaft zusammen. Diese sind also den Hochzeitslisten „entflohen“ bzw. sind unsicher, ob sie sich bei einem eventuellen Ehebündnis auch entschließen, ihre Einrichtung neu zu erwerben. Das in den guten alten Zeiten so sichere Geschäft mit den Hochzeitsgeschenken ist eher zu einer fallweisen kleinen lokalen Konjunktur verkommen. 
Was noch vor einigen Jahren ein Standardprodukt in unserer Branche war, nämlich eine Komplettausstattung für junge Paare mit kleiner Börse, gibt es gar nicht mehr. Für Nostalgiker eine der tollsten Ausstattungen war dereinst die ABC-Serie von Thomas, nach einem Design von Hans Theo Baumann, die für viel Aufsehen, aber auch nicht gerade für tolle Umsätze sorgte. Ja, ja die Zeichen an der Wand! …
Hand in Hand gehen damit auch die Familienausstattungen, nämlich die Zusammenstellung der Service. Standard waren dabei immer sechs Personen, also das Paar, zwei Kinder und  fallweise Eltern bei Besuchen. Diese Formel wurde praktisch für alle Produktsparten eingehalten und ist mittlerweile eigentlich Makulatur, weil sich die Paare absolut nicht auf Familiengrößen während der Hochzeitsvorbereitungen einlassen wollen, meist zusammenziehen und jeder sein Häferl und seinen Teller erwirbt oder mitbringt. Individualität wird bei der Einrichtung auch in Zukunft eine große Rolle spielen. Und so darf man ruhig behaupten:: die große Zeit der Service ist vorbei.
Last but not least machen wir noch einen kleinen Abstecher zu den Essgewohnheiten. Der Rationalisierung zum Opfer fiel im Lauf der Zeit alles, was mit Vorlegen zu tun hatte. Wenn sie nicht wissen, was damit gemeint ist, raten wir Ihnen ein gutes chinesisches Restaurant aufzusuchen, denn dort wird das meist noch praktiziert. Das Hauptgericht wird auf einer Platte mit Rechaud serviert, und man kann sich Beilagen und Hauptgericht selbst zusammenstellen. Das war früher eine Selbstverständlichkeit, dass nicht der Gastronom, sondern der Gast seine Portionsgröße wählte. Dazu brauchte man auch eigenes Vorlegebesteck, das wie ein normales Besteck aussah, aber wesentlich größer ausgeführt war, um eben rascher servieren zu können. Ebenfalls selbstverständlich war eine Sauciere mit heißem Inhalt und der Möglichkeit, den Braten schwimmen zu lassen oder gerade einmal ein wenig zu benetzen – wie man es individuell eben gerne hat und nicht wie der Koch es seinen Lehrlingen befielt. Jetzt haben wir das Tellerservice, wo alles auf den Teller geschichtet wird, und in manchen Lokalen der essigtriefende Salat neben dem panierten Cordon Bleu zu liegen kommt. Was im Heimbereich weniger vorkommt, aber Vorlegen ist auch im heimischen Bereich vorbei – zu 99 Prozent.
Neu ist hingegen die große Gruppe jener geworden, deren Ernährungsbewusstsein und zeitgemäßer Lebensstil als Motiv gilt. Laut neuester Statistik gibt bei uns rund 765.000 Vegetarier und in der radikalen Form 80.000 Veganer. Dieser riesigen Gruppe hat die Branche derzeit eigentlich wenig zu bieten, denn Teller und Besteck sind eigentlich noch immer auf Fleischgerichte designt, wenn man einmal vom Fischbesteck absieht. Vielleicht braucht man auch für vegetarische Gerichte keine eigenen Gefäße, aber Produktentwickler mit einem Hang zu Funktionalität könnten sich dem Thema, inklusive der Veganer-Philosophie, durchaus intensiver annehmen.
Dann bleiben noch die 2,3 Millionen Flexitarier, die zwar gerne vegetarisch, aber durchaus auch fleischlich speisen. Bei mir kommen bei dieser Bezeichnung immer nostalgische Erinnerungen auf, denn bei uns daheim gab es sechs Mal in der Woche etwas Vegetarisches (Nudeln sind nämlich vegetarisch) und am Sonntag kamen  Schnitzel auf den Tisch. Also die ideale Kundschaft für unsere Branche, weil sie nämlich alles, was derzeit im Programm ist, brauchen kann – und einen schönen großen Pastateller kann sich heute schon jeder leisten …
Quellen: Statistik Österreich, Wikipedia, Branchenradar

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