Sonntag, 6. August 2017

Globale Tischkultur: eine Utopie?

Illustration: keekeekee | Fotolia.com; Wolfgang Greiner 

Wenn wir in unseren Breiten von Tischkultur reden oder uns über ihr Verschwinden in der Gesellschaft mokieren, vergessen wir gerne, dass unsere Tischrituale keineswegs globale Regeln sind. Selbst innerhalb Europas sieht man Unterschiede, aber auch gegenüber Nord­amerika, wo selbst Gabel und Messer anders gehandhabt werden. Ganz zu schweigen von Asien oder Afrika, wo der gedeckte Tisch in unserem Sinn keine Rolle spielt. 


Es ist eigentlich nicht wichtig, was man unter Tischkultur versteht, außer man ist Produzent entsprechender Produkte und möchte bzw. „muss“ exportieren. So wurde in den letzten Jahrzehnten eifrig designt, um international erfolgreich sein zu können. Dabei blieb zwar so manche nationale Eigenart auf der Strecke, aber trotzdem nicht unvergessen. Wer in den 50er-Jahren in die Branche kam, musste sich noch mit Begriffen wie „Schwedentasse“ oder „Französisches Besteck“ herumschlagen, während der Pasta- oder Pizzateller außerhalb Italiens noch unbekannt waren. Im ländlichen Raum und auf traditionellen Bauernhöfen hatte man ebenfalls wenig mit diesem „höfischen Getue“ im Sinn. Da dominierten die Schüsseln und die Pfanne, um die sich beim Frühstück alle Bewohner des Hofes beim wichtigen Grießkoch versammelten, um mit dem ganz persönlichen Löffel eifrig zu versuchen, zum geliebten Butterziegel vorzudringen. Speziell hier herrschte der Grundsatz vor, dass Funktion wichtiger ist als Optik oder Ritual.