Montag, 4. Dezember 2023

Black X-Mas?













Foto: Adobe Stock | All Happy Lines

Wenn schon, denn schon, haben wir uns bei diesem Titel gedacht, um den„Black Friday“ entsprechend zu würdigen. Nun kann man dem stationären Handel wohl nicht mehr wünschen, als so manche heiße, neue Saison zusätzlich ins harte Jahr zu bekommen. Aber wie fast immer bei derartigen Anlässen – wirklichen Nutzen haben dabei nur einige Big Player in der Handelsszene, und der mittelständische Facheinzelhandel muss (wie so oft) dafür herhalten, dem Konsumenten zu beweisen, dass er zu teuer ist. Denn alle Rabatte, die da durch die Medien geistern, sind im Vergleich mit dem Einzelhandel zu sehen, dem braven, der meist keine Schnäppchen zu bieten hat … 


In den USA ist Thanksgiving ein überaus beliebtes und verbreitetes Familienfest und wird traditionell am vierten Donnerstag im November gefeiert. Der danach folgende Freitag, auch als Familientag fix im amerikanischen Kalender verankert, gilt als Beginn der Weihnachtseinkaufssaison. Da diese Tage kein fixes Datum haben, hat man in Europa ein wenig Probleme damit, da hier der erste Advent nach dem Weihnachtstermin berechnet wird. Aber in allen Breiten gilt der „Black Friday“ als Startschuss für die Hochsaison Weihnachten! Nur für die, die es auch genauer wissen wollen: Dieser Tag hat grundsätzlich nichts mit dem berüchtigten Tag des Börsenzusammenbruchs 1929 zu tun, der richtigerweise „Black Thursday“ heißen muss, denn da passierte es in den USA. Allerdings war es in Europa zu diesem Zeitpunkt bereits Freitag, was eben zum Namen „Schwarzer Freitag“ führte.
Unser Black Friday ist und war immer eine Verkaufsveranstaltung des Einzelhandels, wobei Rabatte im Vordergrund standen und natürlich weiterhin stehen. Warum man ausgerechnet vor einer Saison, wo Nachfrage seit undenklichen Zeiten ohnehin garantiert ist, mit einem derartigen „Köder“ versehen werden musste, darauf werden sie in keiner Chronik Antwort finden. Im Gegenteil, denn nicht nur der stationäre Handel inklusive aller Big Player spielt hier mit, auch der Online-Handel und so mancher Dienstleister sind gerne und intensiv an Bord. Selbst Fitnessstudios machen mit, allerdings mit Gratisberatungen und nicht mit Substanzrabatten. Die Versuche von Veranstaltern, sich den Namen schützen zu lassen, sind, soweit es uns bekannt ist, alle gescheitert. In Deutschland hat der Bundesgerichtshof im Juli entschieden, die seit 2016 eingetragene Wortmarke aus dem Markenregister zu löschen. Kein Wunder also, dass diesmal schon neue Kreationen auftauchen und es Unternehmen gibt, die „Black Weeks“ und einige wenige auch den „Black Month“ ausgerufen haben. Erfunden wurde der Name laut Fama von der Polizei in Philadelphia, die am ominösen Freitag im Jahr Tag 1966 chaotische Menschenmassen in den Einkaufszentren zu bewältigen hatten und diese Formulierung den Reportern in die Notizblöcke diktierte. Ob der Name von den Menschenmassen kommt, die sich durch die Einkaufszentren wälzten, oder aber, wie findige Marketingleute vermuten, daher rührt, dass der Handel sich durch diesen Zusatzumsatz wieder „schwarze“ Zahlen erhoffte, ist leider nicht zu eruieren …
Aber wenden wir uns der wirtschaftlichen Seite zu. Nichts geschieht im internationalen Handel ohne ein Umsatzziel, und es wäre wirklich interessant herauszufinden, warum man ausgerechnet vor Weihnachten, einer Einkaufshochsaison, mit einer derart massiven Rabattpolitik begonnen hat. Weihnachten schwarz einzufärben, war sicher kein Grund, da wohl eher der Wunsch, früh an die Geldbörsen der Konsumenten zu gelangen. Das würde auch erklären, warum mit Herbstschulbeginn in den Supermärkten die Weihnachtsbäckerei wie eine Seuche ausbricht. Oder aber waren waren es die Elektroniker, die meinten, beim Geschenkekauf zu kurz zu kommen und deshalb früh mit Killerrabatten ein größeres Stück vom Weihnachtskuchen bekommen wollten? Das wäre eine Theorie und würde zu den Methoden in den USA passen, die schon extrem waren und sind. Öffnungszeiten um fünf Uhr früh, mit dem Gerücht, dass von bestimmten, sehr beliebten Marken und Produkten mit Wahnsinnspreisen, nur wenige Stück vorhanden sind. Manchmal waren auch Geschäfte noch pfiffiger und öffneten den Sonderverkauf schon Donnerstag Abend und dann bis in die Nacht hinein. Und seit 2005 werden in den USA am Black Friday die höchsten Umsätze des Jahres gemeldet. 
Bei allen Statistiken fehlt der Vergleich mit den Weihnachtsumsätzen zu normalen Konditionen, falls es so etwas noch in nennenswerter Größe gibt. Laut einer Studie des Instituts für Handel, Absatz und Marketing in Linz erwartet man für dieses Jahr in Österreich einen Weihnachtsumsatz von rund EUR 2,32 Milliarden, wobei allerdings ein Drittel der Konsumenten bereits mit dem Einkauf, also auch beim Black Friday, begonnen hat. Auffallend ist in diesem Jahr, dass besonders der Online-Handel massiv in die Werbung für diese Verkaufsperiode investiert. Amazon inseriert ganzseitige Anzeigen in den Tageszeitungen, wo auf den gesamte Einkauf während der Black-Friday-Tage ein Rabatt gewährt wird – zusätzlich zu den ohnehin im Fokus stehenden Schnäppchen (englisch „doorbusters“ genannt), die man während der Zeit besonders gerne sucht! Und wir dürfen mit Spannung die „Cyber Monday Woche“ erwarten, die diesem Wochenende nachgeschossen wird und mit besonders Angeboten speziell von elektronischen Geräten agieren soll, sagen zumindest die Medien.
Apropos Medien, es ist hochinteressant, wie ein Termin wie der „Black Friday“ ohne Veranstalter plötzlich zu einer derartig starken Kampagne führen konnte. Wir erinnern uns an die früheren Ausverkäufe, die streng reglementiert waren und wo genau kontrolliert wurde, dass kein Unternehmen zu früh begann. Der Termin wurde behördlich fixiert, und dann durfte jeder nach Lust und Laune loslegen. Geschäftssperren auf der Wiener Mariahilfer Straße oder lange Schlangen hat es damals auch ohne US-Slogans gegeben. Als Randnotiz nur das: die großen Häuser z.B. auf der Mariahilfer Straße in Wien haben sich immer intern geeinigt, wann mit den Ausverkaufs- oder Weihnachtsschaufenstern begonnen werden soll, um ein einheitliches Image abzugeben – lang, lang ist’s her.
Also zurück zu den Medien, die durch diesen künstlichen Saisontermin zu einer neuen Konjunktur kamen. In Österreich brach in den letzten Wochen vor dem Black-Friday-Termin ein Werbetsunami los. Sowohl in den Gratiszeitungen als auch im Boulevard wimmelte es von Berichten über das, was da ab dem berüchtigten Freitag losbrechen würde. Es folgten Listen mit Artikeln und Preisvergleiche, jeden Tag ein neuer Rekord an Rabatten, die sich langsam bei 70 Prozent als Spitze und 20 Prozent als Durchschnitt einbremsten. Unabhängig davon gibt es natürlich einzelne Produkte mit Wahnsinnspreis, wie z.B. Besteckteile um 50 Cent pro Stück – darüber wollen wir später nochmals genauer reden. 
Die Aufzählungen, die Auslobungen der Schnäppchen und natürlich die Kommentare der Experten, die von ungeheuren Gelegenheiten sprachen, brachten das Interesse auf Hochtouren. Darauf folgte das Honorar für die bereitwilligen Medien: Ukrainekrieg hin, Nahostkrise her – Zeitungen erschienen mit schwarzem Cover und der Ankündigung, dass ein Wäschekonzern einen unglaublichen Rabatt gewährte, einem Cover des XXX-Hauses mit umwerfenden Angeboten und natürlich der Onlinehändler mit seinem Beitrag zur Black-Friday-Sensation; von den unzähligen Anzeigen anderer Unternehmen ganz schweigen. Und auch im Fernsehen unterbrach man mit Black-Friday-Spots so manches Programm. Was müssen die alle für Umsätze machen, dass sich dieser gigantische Werbeaufwand rechnet? Experten schätzten sie an diesem bestimmten Wochenende auf rund EUR 400 bis 450 Millionen; beachtlich, aber geht dieser Betrag von den Weihnachtsumsätzen weg, oder ist das ein Zubrot?
In der etwas nüchternen Schweiz warnen Branchenexperten vor den langfristigen Folgen für den Handel: so sei „die Vorweihnachtszeit ohnehin die umsatzstärkste Zeit, sodass Rabattaktionen die Profitabilität mindern und bei den Kunden die Erwartung erhöhen, besondere Angebote zu Weihnachten zu erhalten …“ In Österreich warnte die Arbeiterkammer vor einem nicht so günstigen Kaufrausch. Oft seien die Schnäppchen ältere Modelle, und man sollte auch die Lieferkosten einpreisen. Die Uni Linz hat allerdings erfragt, dass fast jeder zweite Österreicher diesen Tag nützt, die meisten allerdings online.
Durch die besonders aggressive Teilnahme des Onlinehandels am Black Friday verstärkt sich außerdem der Abfluss der Kaufkraft ins Ausland und bewirkt so eine weiter Schwächung des stationären Handels. Die Leerstände von Läden in den Städten zeigen diesen Trend ohnehin schon recht deutlich. Aber der Konsument wird nicht damit aufhören, der Fahne „Rabatt“ zu folgen und wird damit seine eigene Infrastruktur zerstören – wenn die kleinen Geschäfte verschwinden, werdenStädte zu öden Schlafsilos. Die Schere zwischen Luxusprodukten und namenloser Preisware wird immer größer – wo sind die Handelsforscher geblieben, die noch vor wenigen Jahren eine glanzvolle Zukunft für spezialisierte Geschäfte angekündigt haben? Heute macht jeder bessere Supermarkt Umsätze von der Weltreise über Freizeitmode bis zum Joghurt …
Verbraucherschützer kritisieren, dass die Rabatte beim Black Friday „künstlich“ aufgeblasen seien, oft würde der Rabatt nicht mit dem Marktpreis, sondern mit der theoretischen, unverbindlich empfohlenen Preisempfehlung oder „Mondpreisen“ verglichen werden. Zu einem ähnlichen Urteil kommt ein neutrales Portal in den USA, das feststellte, dass die tatsächlichen Rabatte z.B. bei Smartphones durchschnittlich 26 Prozent, bei Fernsehern elf Prozent und in der Mode 50 Prozent waren, noch immer interessant, aber jenseits der plakativen Angaben in den Medien. 
Unser Liebling in dieser Frage ist das Besteckangebot eines Möbelhauses – 50 Cent pro Teil; das heißt, Kaffeelöffel und Messer haben den gleichen Preis. Legen Sie einen Kaffeelöffel auf die Waage und stellen Sie fest, wie viel Stahl für diesen Teil verwendet werden muss – und er muss gestanzt, geschliffen, verpackt und versandt werden; auch das muss bezahlt werden. Und jetzt kann ihn der Konsument um 50 Cent erwerben und auch ein Messer mit Klinge zum selben Preis. Will man auf diese Art und Weise die Hersteller an den Pranger stellen, dass so etwas nicht das ganze Jahr möglich ist und nicht nur an diesem einen Freitag? Man ruiniert damit das Image von Produkten ohne wirklichen Gewinn, denn was kann denn ein Möbelhaus an diesen 50 Cent verdienen – vielleicht 50 Cent, weil die Ware als Werbekostenzuschuss sagen wir „ausverhandelt“ wurde und der mittelständische Facheinzelhandel wieder eine Ohrfeige bekam?
Übrigens haben wir irgendwo gelesen, dass diesen Rabattfestspielen seit 1992 ein Aktionstag zur Konsumverweigerung durch Ausrufung eines Kauf-nix-Tags (in Marketingenglisch „Buy Nothing Day“ ) entgegengesetzt wird. Na ja …

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