Dienstag, 10. Dezember 2019

Communication – What else?

Foto: Susanne Jutzeler, suju-foto | Pixabay 

Wir haben uns für den diesmaligen Artikel den Slogan von Nespresso geborgt. Denn nichts ist für eine Branche, für einen Betrieb, für ein Produkt so wichtig wie erfolgreiche Markt­kommunikation – also eine Selbstverständlichkeit im Rahmen aller Aktivitäten am Markt, sollte man zumindest meinen. Aber ist das auch in unserer Branche so? Manchmal entsteht der Eindruck, dass die GPK-Sparte glaubt, beim klassischen aktuellen Marketing eine Sonderstellung zu besitzen. Der reale Stellenwert der Branche innerhalb der Wirtschafts­-segmente gibt da eigentlich eine andere Antwort. Aber vielleicht wird man ja lernfähig …

Diesmal wollen wir uns den Aktivitäten zuwenden, denen Sie, verehrte Leserin, verehrter Leser, ständig ausgesetzt sind – der Werbung, der Marktkommunikation zwischen Hersteller und Einzelhandel, eine Entwicklung der letzten Jahrzehnte wie jene des Vierteltelephons zum Smartphone. Alte Semester erinnern sich noch an eine Betriebsform, die in entlegenen – also sehr entlegenen – Regionen noch erhalten ist: den regionalen Großhandel. Dieser Marktkaiser der Nachkriegszeit und absolute Verlierer der Globalisierung ist heute kaum noch so dominant, aber vereinzelt als Importeur und Kreateur von Eigenmarken neu positioniert. Die regionalen Großhändler waren mit Reisenden und Musterkoffern unterwegs, um auch im kleinsten Laden ihr Sortiment unterzubringen.

Aber wie kamen diese Herrschaften zu ihrem Angebot? Findige Einkäufer besuchten seinerzeit Fabriken, vorzugsweise an Freitagen, wenn Lohnauszahlung war und so mancher Produzent Schwierigkeiten hatte, ihn aufzubringen. Schon seinerzeit war die Frage: „Haben Sie etwas in Aktion?“ daher durchaus üblich, ebenso wie „Cash and Carry“. Aber der wirkliche Standard für den Einkauf waren und sind Messen. Schon im Mittelalter gab es diese „Marktplätze“, wo sich der Handel in seiner Gesamtheit ein Stelldichein gab. Städte wurden reich durch die Gebühren, die sie dabei einhoben. Behalten Sie diesen Satz im Gedächtnis, er wird sich wie ein roter Faden bis heute durchziehen. Mit der Erschwinglichkeit der Farbfotographie wurden die Musterkoffer leichter und die Hauskataloge schwerer, aber eines war unübersehbar: Die Messen wurden größer. Die traditionellen Messestädte (ja, so etwas gab es bereits) investierten und versuchten sich einzelne Wirtschaftszweige exklusiv zu sichern. Was aber nur zum Teil gelang. So war in den Nachkriegsjahren im deutschsprachigen Raum die Industriemesse in Hannover das non plus ultra, auch in der GPK-Branche, während die Messestadt Nummer 1 der Vorkriegszeit, nämlich Leipzig, hinter dem Eisernen Vorhang landete. Messen boomten, und sogar die mächtige UEFA reagierte und veranstaltete einen Fußball-Europacup unter dem Titel „Messestädte-Cup“, der bei der ersten Reform wieder verschwand. Jedenfalls waren das wirklich die großen Warenumschlagplätze, die man vor allem in Zeiten der Hochkonjunktur benötigte. In Österreich förderte die Wirtschaftskammer Aussteller derart, dass sich einige pfiffige Handwerker als Aussteller registrieren ließen, ohne irgendein exportfähiges Produkt zu haben. Der Begriff „Messetourist“ war geboren.
Im Sog dieser Konjunktur entwickelten sich die bestehenden Fachzeitschriften von Verbandsblättern zu Hochglanzmagazinen, „Trading up“ wurde auch hier zum Schlagwort, die Hersteller benötigten für ihr trendiges Sortiment ein entsprechendes Forum. Dabei hielt in den großen Messestädten die Infrastruktur nicht mit dem Besucheransturm Schritt. Der Messealltag wurde zur Schwerarbeit. Die Besatzung der Aussteller suchte verzweifelt und oft vergebens ein Abendessen in den mehr als überfüllten Lokalen. Große Firmen reservierten gleich ganze Restaurants, um auch Kunden bewirten zu können. Taxis wurden zur Rarität.
Die Veranstalter, meist Kommunen, bauten neue Hallen im Akkord, und die Wartelisten von potenziellen Ausstellern wurde immer länger. Hochkonjunktur war die Untertreibung dieser Ära. Die Kosten wurden allerdings immer größer. In den Anfängen hatten z. B. die Porzelliner Dauerstände in Hannover und dann auch in Frankfurt. Dies, damit man die extremen Aufbaukosten inklusive der Reisekosten des Aufbaupersonals in Grenzen halten konnte. Als Fachjournalist benötigte man nach einer derartigen Messe, mit unzähligen Abend-Events, einen sehr ausgedehnten Urlaub. Und das mehrmals im Kalenderjahr. Es war die große Zeit der Branche, gespickt mit Prominenz, die auch auf den Ständen der Marktführer zu bestaunen war: Paloma Picasso, Joop, Versace, Baumann, Wirkkola, um nur einige zu nennen, hielten Hof und warben für ihre Entwürfe – und plötzlich waren auch das Fernsehen und all die herrlichen Lifestyle-Magazine vor Ort. In dieser Zeit wurde der Nimbus der Branche geboren, dass unsere Produkte so attraktiv seien, dass man eigentlich keinerlei Marktkommunikation bräuchte. Und dass der Handel froh sein sollte, diese Attraktionen führen zu dürfen. Der natürliche Kreislauf der Marktkommunikation – Hersteller trifft Verteiler und dieser promotet (und verkauft dabei Unmengen) regional – wurde nie in angestrebter Höhe erreicht, denn auch die Hersteller haben nie in ausreichendem Maß in einen wirkungsvollen Marketing-Mix investiert, um den (meist kleinen) Händlern die Möglichkeit zu geben, Nachfrage zu befriedigen. Denn eines haben die Messen inklusive der Fachmedien sowie die zahlreichenPR-Agenturen nie erreicht: Nachfrage zu schaffen. Dafür waren sie auch nicht geeignet – Publikumswerbung schien aber für die meisten Akteure ein Fremdwort zu sein.
Wo stehen wir heute? Viele der damals als unsinkbare Schlachtschiffe geltenden Markenfirmen haben eine Insolvenz hinter sich oder zumindest eine schmerzhafte Sanierung. Und viele neue Vertriebsformen haben beim klassischen mittelständischen Einzelhandel einen Kahlschlag veranstaltet, der sich gewaschen hat. Wieviele der klassischen Häuser in den Innenstadtlagen verschwunden sind, kann man leicht erurieren, , aber die Unmenge an kleinen Läden in den Kleinstädten sind ebenfalls weg – und niemand vermisst diese, das ist die Tragik. Markenfirmen versuchen mit Flagshipstores ihre Markenpräsenz in den ­
A-Lagen der Städte zu erhalten, und seinerzeitige „Fremde“, wie der Möbelhandel, die Lebensmittelketten, der Versandhandel und natürlich die Online-Shops haben sich einen Großteil dieses verlorenen Umsatzes unter den Nagel gerissen. Diese „Big Players“ brauchen auch die klassischen Medien für Marktkommunikation, wie z. B.Messen. – aber werden so hofiert, dass vielfach diese Art der Marktkommunikation in den Zentralen stattfindet und Messereisen eher eingeschränkt werden. Als Fachzeitschrift haben wir es da ein wenig leichter, denn der oder die ZentraleinkäuferIn kann sich sehr gemütlich am Schreibtisdch aktuell darüber informieren, was so angeboten wird und was man damit anfangen könnte. Diese Kanäle brauchen den klassischen Facheinzelhandel ganz dringend, denn der ist ja die Garantie dafür, dass man zeigen kann, dass man billiger ist. Die UVP (unverbindlich empfohlenen Verkaufspreise) sind das Grundmaterial, mit dem Werbeagenturen für Diskonter die Werbung schnitzen, Action ist immer angesagt – siehe Tschibo, siehe andere Lebensmittelketten und nicht zu vergessen die Online-Shops.
Die Messe Frankfurt hat eine Untersuchung gemacht, um festzustellen, wie sich der Handel über seine zukünftigen Sortimente informiert. Natürlich über Messen mit 74 Prozent, danach kommen wir (alle Fachzeitschriften) mit 36 Prozent und dann Austausch mit Kollegen, Wettbewerbsbeoachtung und Dialoge mit potenziellen Lieferanten, so jeweils um die 20 Prozent. Mehrfachnennungen waren möglich. Aber auch diese Umfrage ist mit Vorsicht zu genießen. Weil sie a) schon eine Weile her ist und b), weil sie nicht das bei diesen Kontakten dahinterstehende Einkaufsvolumen berücksichtigen kann. Wer ein Filialnetz von zig Läden hat und seinen Einkauf direkt mit den potenziellen Lieferanten macht, der entzieht den klassischen Stellen, wie eben Messen, sehr viel Umsatz, was den Ausstellern, die ja gleichbleibende Kosten haben, Defizite bei der Messestatistik beschert. Denn was die Branche nie gerne gehört hat: Marktkommunikation kostet etwas. Egal, ob sie dann erfolgreich ist oder sich zum Flop entwickelt.
Apropos Flop! Die neue Generation an PR-ExpertInnen hat eine neue Wunderwaffe entdeckt – Social Media. Was schon in der Politik so herrlich funktioniert, soll jetzt auch die Klassiker, wie Messe oder Fachzeitschrift, ersetzen. Auf die Frage, wie man an die richtig Zielgruppe herankommt, wie man die Nachfrage und den Rücklauf kontrollieren kann und vor allem, wie man einen Hersteller-Blog so machen kann, dass er die Vielfalt und Vergleichsmöglichkeit oben genannter Medien bieten kann, erhalten sie nie eine befriedigende Antwort. Aber es ist eben lustig, alles allein entscheiden zu können und sich nicht darum kümmern zu müssen, ob die Message auch angenommen wird. Und da kommen wir zu den Problemen unserer Tage: Wenn die Besucheranzahl bei Messen nachlässt, wenn sich die Qualität der Besucher (mehr Seh- als Kaufleute) spürbar verändert,  wenn sich traditionelle Termine zu verschieben beginnen, dann … reagieren auch die Aussteller mit Einsparungen. Das gilt auch für uns Fachzeitschriften. Schon längst haben sich die Leser auf das System „Privatfernsehen“ eingestellt und wollen nicht mehr für ein Abo bezahlen, schließlich soll sich diese Gazette gefälligst durch Anzeigen finanzieren. Bei Social Media kostet die ganze Geschichte eigentlich nichts – was den manchmal sehr naiven Bossen sehr gefällt.
Und so quälen sich vor allem Messen durch die derzeitige Marktlage. Es gibt viele, wahrscheinlich zu viele Messen für eine Branche, die bewiesenermaßen arge Einbußen hinnehmen musste. Die schwer darunter leidet, dass die Fernostware zu unmöglichen Preisen eingeführt werden kann und für diese Waren keinerlei klassische Marktkommunikation notwendig oder gewünscht wird. Was in der „guten, alten Zeit“ üblich war – sich auf internationalen Messen mit Riesenangebot zu informieren und bei den regionalen Messen Aufträge zu realisieren –, gehört weitgehend der Vergangenheit an. Sich im Internet zu informieren, ersetzt zwar nicht das „Come together“, beantwortet aber so manche Frage. Und dass die Onlineshops für den Einkauf wenig Außendienst benötigen, ist wohl klar – die Fixkosten für die Einkaufsabteilung, umgelegt auf die Verbreitung, sind Peanuts. Dazu kommt, dass die traditionellen Saisonen der Branche – Hochzeitslistenzeit und Muttertag sowie Weihnachten (früher oft  bis zu 60 Prozent des Jahresumsatzes) – auch nicht mehr richtig funktionieren. Was wieder Messen und auch Fachzeitschriften in Terminprobleme für ihre Schwerpunktprogramme bringt. Die in den letzten Jahren ständig veränderten Messetermine zeigen das Problem deutlich, auch wenn es niemand ausspricht: Die Marktkommunikation zwischen Anbieter und Verteiler muss sehr bald und rasch neu überdacht werden.

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