Montag, 22. Juni 2020

Quo vadis?

Foto: wedninth | Adobe Stock

Die Corona-Krise hat im österreichischen Handel (und nicht nur dort) aufgedeckt, was schon längst bekannt war: Es ist der Wurm drin! Während man seitens der Politik verzweifelt bemüht war, zumindest die notwendig benötigten medizinischen Hilfsmittel wieder im Inland zu ­bekommen, hält der Abfluss von Kaufkraft – ohne anteiligen Beitrag für das Gemeinwesen – ­unvermindert an. Und dazu kommt noch eine nationale Wirtschaftskammer, die hilflos dem Würgegriff der Globalisierung zusieht. Bei dieser Pandemie trat das ganz besonders deutlich hervor. Wohin führt also der Weg des Handels – und wer gewinnt im täglichen Kassenkampf?


Jetzt ist sie also vorbei – die erste Phase der Einschränkungen durch eine Pandemie. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs haben wir eine derartige Situation – mit der Schließung von Geschäften, Ausgeh- und Kontaktverboten etc. – nicht mehr erlebt. Die Gesetze des freien Marktes wurden politisch außer Kraft gesetzt. Und dabei trat klar zu Tage: der Handel, das freie Spiel von Ideen und Strategien ist längst nur mehr ein Märchen, das gerne von Experten mit launiger Ausdrucksweise erzählt wird – aber es ist eben nur Schimäre. Denn eines haben alle diese Analytiker gemeinsam: ihre Ergebnisse sind (wie immer) ohne Gewähr.

Erinnern Sie sich noch, als so ziemlich alle Gurus unserer Branche Spezialisierung auf die Kerngebiete von GPK vorgeschlagen haben? Als Design als das Allheilmittel angepriesen wurde? Heute kann man beobachten, wie der Lebensmittel- oder der Möbelhandel mit Produkten für den gedeckten Tisch mehr Umsatz machen als die „spezialisierten“ Facheinzelhändler. Sie können gerne versuchen, Ihr Geld für diese Ratschläge zurückzufordern, auch das wird erfolglos sein. Aber sehen wir uns die einzelnen Sparten im Handel – gerade unter dem Gesichtspunkt dieser Epidemie – einmal genauer an, denn da werden alle Schwächen, alles, was auch die Allgemeinheit beeinflusst, sehr deutlich sichtbar – und was unsere Branche betrifft, auch alle Gründe, warum es der Facheinzelhandel so eminent schwer hat.
Die Abräumer
Schauen wir uns einmal die Marktführer im Lebensmittelhandel an. Da gibt es praktisch nur mehr vier Big-Player, die sich die Marktanteile – auch mit unterschiedlichen Markennamen – aufteilen. Selbst in entlegenen Orten ist der ehemals individuelle Greißler, wenn er Glück gehabt hat, noch ein Franchisenehmer, oder gehört sonst einer Organisation an. Das allerdings nur so lange, bis den Großen die Standorte ausgehen und man auch diese kleinen Orte okkupiert. Sie haben als Supermärkte begonnen und haben sich teilweise zu Diskontern entwickelt. Das Sortiment war einst noch eingeschränkt, wurde aber ständig erweitert. Jetzt ist es so, dass sie Fleischhauereien, Bäckereien, Parfümerien, Reisebüros, Modeboutique oder Blumenhändler sind. Dazu kommen noch die Spotverkäufe, die seinerzeit von Eduscho/Tschibo erfunden wurden und so ziemlich alles umfassen, was man verkaufen kann. Und so wartet der Konsument schon jede Woche gespannt, was denn diesmal in den Wochenprospekten (in Millionenauflage!) angepriesen wird. Dass jetzt auch Computer und sonstige Elektronik zum Zug kommen, ist nicht verwunderlich. Verwunderlich ist dabei nur, dass sogar das funktioniert. 
Hier wird das noch immer gerne gebrauchte Argument des mittelständischen Fachhandels ad absurdum geführt, dass nämlich der Kunde „fachkundige“ Beratung schätzt und daher lieber den stationären Einzelhandel aufsucht. Es darf daher gezweifelt werden, ob dieses „Minderheitenprogramm“ noch in irgend einer Form Gültigkeit hat. Wer beobachtet, wie z. B. bei Hofer montags und donnerstags die Leute frühmorgens bereits auf den Einlass lauern, um nur ja einige dieser im Prospekt publizierten Angebote zu erbeuten, wird unsere Zweifel teilen. Man kann auch an diesen Angeboten ablesen, was derzeit beim Konsumenten besonders gefragt ist. Die Einkäufer dieser Ketten sind da besonders gut informiert und für Analysten eine wahre Fundgrube. Es gab Zeiten (oder gibt es sie noch?), wo eine besonders aktive Kette zu Jahresbeginn ein Buch herausbrachte – gut, es war eher eine Broschüre – in der für das gesamte Kalenderjahr aufgelistet war, wann welche Artikel in diesen „Schnäppchenverkauf“ kommen sollten. War für so manchen Jäger von Mezzien ein ideales Weihnachtsgeschenk, war nämlich auch nicht gratis und nur im Buchhandel erhältlich. 
Man fährt also via Supermarkt in den Urlaub, man holt sich dort die Wertkarten fürs Telefon, bringt Blumen mit nach Hause, schenkt Spielzeug aus dem Lebensmittelladen und ist ständig in Bereitschaft, um das eine oder andere Gerät zu erhaschen. Die Marktmacht dieser Unternehmen ist gigantisch. Die heimischen Bauern können ein Lied davon singen, und die spezialisierten Facheinzelhändler müssen zähneknirschend zur Kenntnis nehmen, dass ihre liebste Stammkundin plötzlich mit Jeans, erstanden aus dem Regal neben den Schoko­osterhasen, auftaucht. Apropos – da war doch noch was, während der Ladensperren? Der Lebensmittelhandel war ja klarerweise von der Sperre ausgenommen. Lebensnotwendige Artikel mussten – unter strengen Auflagen – für die Bevölkerung erwerbbar sein. Aber die im Sortiment befindlichen Non-Food-Artikel wurden dadurch ebenfalls erreichbar, was seitens der zwangsgeschlossenen Einzelhändler aller Sparten zu Protesten führte. Es kam zum guten österreichischen Kompromiss – am Karsamstag verkauften die Ketten nur Food-Artikel, selbstverständlich, ohne dass es irgendwer kontrollierte. 
Die Allmacht der zum Großteil in deutscher Hand befindlichen Ketten führt vor allem im ländlichen Raum zu Problemen in der Nahversorgung. In Gemeinden, wo z. B. noch ein Händler existierte, kam es nach dessen Ableben oder bei Pension des Inhabers zur Schließung. Es findet sich kaum noch jemand, der als „Ersatzteilladen“ agieren möchte, denn bei der derzeitigen Mobilität geht man kaum zum Händler vor Ort, außer man hat den Essig vergessen. Ausgenommen sind die immobilen Alten, aber die sind keine Zielgruppe für Marketingstrategen. Wir kennen Fälle, wo die Gemeinde, um der Bevölkerung einen Nahversorger zu ermöglichen, einenTeil der Fixkosten übernehmen wollte und trotzdem niemand gefunden wurde, der den Mut hatte, als guter, alter „Greißler“ aktiv zu werden.

Die Betonierer
Sie kamen aus den USA und veränderten in Zeiten der Hochkonjunktur nicht nur die Handelsszene, sondern auch die Struktur von Städten: Die Einkaufszentren! Bejubelte Belebung für kaufwütige Konsumenten und Fast-Food-Lokale. Die Grundidee war damals so etwas wie der Stein der Weisen. Man setzte ein derartiges Zentrum auf die grüne Wiese – aber in Reichweite eines Ballungszentrums. Von Ikea ist die Formel bekannt, dass einer ihrer neuen Läden nur in einem Gebiet sein dürfe, das innerhalb eines 40-km-Radius 2,5 Millionen potenzielle Kunden hat. 
So entstanden im Speckgürtel von Wien die ersten derartigen Gebilde. Und die funktionierten ohne den geringsten Widerstand, auch nicht seitens der Interessenvertretung des heimischen Handels, denn schließlich waren ja auch die Errichter Kammermitglied. Die Gemeinden, die plötzlich Durchzugsverkehr von ungeahnten Dimensionen bewältigen mussten, muckten zwar auf, die Leute fuhren aber munter weiter. So kam es, dass bald die Politik eingriff und den Betreibern eine hübschen Autobahnanbindung bastelte, ohne sie deshalb zur Kasse zu bitten. Der Konsument bezahlte sich seine Verkehrsanbindung an die Ladenkasse eben selbst. Auch dass große Flächen an Boden versiegelt wurden, störte nur einige „grünbewegte“ Protestierer, für die Gemeinden war alles in Ordnung. Sie konnten sich über Steuereinnahmen freuen, für die sie ja auch fleißig gearbeitet hatten: Mit Förderungen, günstigem Bauland und sonstiger Infrastruktur. Leidtragende bei diesem Deal war nur die Stadt, in deren Nähe die Malls entstanden – Kaufkraft wanderte von der Kommune ab in andere Bezirke, Steuereinnahmen gingen verloren, und speziell in den Außenbezirken schlossen Geschäfte, die faktisch nie mehr besetzt werden konnten. Das hatte natürlich auch Auswirkungen auf den Immobilienmarkt – der Wert der Objekte verminderte sich. Das Kontramodell, auch in den Vorstädten derartige Einkaufszentren zu bauen, führte zu einigen halbwegs funktionierenden Objekten, wirklich erfolgreich waren aber auch diese nicht. 
Der Sinn aller dieser Planungen war immer der gleiche: Was früher Kaufhäuser so beliebt gemacht hatte, nämlich viele Warengruppen unter einem Dach bieten zu können, wurde in den Centern perfektioniert. Hier waren nicht nur Warengruppen, sondern Marken in eigenen Läden unter einem Dach, gespickt mit Gastronomie und gänzlich ohne Parkplatzsorgen. Das Publikum nahm mit Freuden an, was die Marketingstrategen ausgetüftelt hatten: die Verweildauer zu verlängern, denn jede Stunde Aufenthalt bedeutete Umsatz! In den Anfängen gab es lange Wartelisten an Interessenten, die vorerst nicht untergebracht werden konnten. Die Betreiber haben aber schnell gelernt und versucht, in erster Linie Betriebe zu integrieren, die die Leute anzogen – „Magnethändler“ waren das A und O jeder Planung.
Heute sind auch diese Einkaufszentren durchaus krisenanfällig geworden. In den USA sterben sie langsam und werden durch Einkaufsdörfer ersetzt (ähnlich wie Österreichs Parndorf), die Einkauf mit touristischem Flair und Kulturangeboten bietet. Die große Zeit scheint für viele vorbei zu sein. Wer jetzt mit offenen Augen durch die bestehenden Hallen flaniert, der merkt, wie viele Flächen nicht besetzt sind und wie stark die Fluktuation geworden ist. Es ist genau wie in der Kaufhausszene, auch wie im einst großen Versandhandel – neue Methoden, neue Projekte ersetzen die noch vor einigen Jahrzehnten für unsinkbar gehaltene Unternehmen, geblieben sind hingegen viele leeren Geschäfte und der Kaufkraftabfluss aus den Städten, wenn auch in kleineren Dosen.

Der böse Wolf
Es gab immer schon nicht ganz erfolglose Versuche, die Mieten in den A-Lagen der Städte zu umgehen und außerdem auch dem kleinsten Nest des Landes ein aktuelles, modernes und preiswertes Angebot zu machen. So entstand in Zeiten des Wilden Westens der Versandhandel, der sich immer als Ergänzung des stationären Handels sah und meist auch so agierte. Die Ausstattung der dicken Wälzer von Katalogen war – entsprechend der damaligen Drucktechnik eher karg – und teuer! 
Lassen wir die Vergangenheit, der Versandhandel war immer schon eine Quelle für Einkaufswillige, die nicht weit fahren, nach Geschäftsschluss ordern und langsam gustieren wollten. Dieser Grundsatz gilt heute noch, aber die Digitalisierung macht mehr möglich. Keine fetten Kataloge zum Blättern, einfache Suche und einfache Bestellung, und um es noch einfacher zu machen, Probieren daheim und bei Nichtgefallen einfache Retouren. Ein gefundenes Fressen für Gags in Hollywoodkomödien, wo sich die Protagonistin in Markenkleidung auf die Pirsch begibt und das Zeug dann zurückschickt. Imagebildung ganz ohne Kosten, man muss nur geschickt die Originaletikettierung heil lassen. 
Der Online-Händler braucht keine Filialen, keine große Auflagen von Printkatalogen, um faktisch in kürzester Zeit 100 Prozent der potenziellen Käufer zu erreichen. Da half auch der Zeitgeist, das Zeitalter der Smartphones, der PCs und das Aussterben der Rasse mit Namen „Stammkunden“. Leute, die ein Leben lang ihren Lieferanten treu bleiben – diese rührselige Geschichte hat heute nichts mehr verloren, auch wenn es noch sehr viele Einzelhändler gibt, die daran glauben, darauf  hoffen. Das von Experten immer dringend empfohlene „Einkaufserlebnis“ hat sich im Internet verflüchtigt … Ein paar Zahlen aus der jüngeren Vergangenheit gefällig? In Zeiten der Ladensperre stieg der Umsatz des Internetgiganten Amazon weltweit im ersten Quartal 2020 um 26 Prozent auf USD 75,5 Mrd. (EUR 69,4 Mrd.), gleichzeitig stellte Amazon in der Ära der Massenarbeitslosigkeit allein in den USA 175.000 neue Mitarbeiter ein, um die erhöhte Nachfrage bewältigen zu können. Die Marktmacht des Marktführers reicht heute schon so weit, dass er bei vielen Unternehmen z. B. eine ihm genehme Ver­packung verlangen kann, die den Lagern und Versandbedingungen des Hauses entspricht. Das führt dann auch dazu, dass man stolz auf die Umweltfreundlichkeit verweisen kann, denn Amazon braucht keine „verkaufende“ Verpackung, da am Bildschirm jedes Produkt deutlich und informativ gezeigt und beschrieben werden kann. Wo sind die Zeiten, als man als Lieferant im Versandhandel für sein Produkt um jeden Quadratzentimeter Bild im Katalog kämpfen und das auch bezahlen musste? Die seinerzeit lästigen und sündteuren Lithographien für den Druck sind ebenso wie Filme verschwunden – ein ganzer Zweig ist da lautlos ausgestorben, und dabei ist z. B. die Drucktechnik leichter geworden. Also nur Vorteile!
Die Kehrseite, dass die globalen Player kaum Steuern in den nationalen Topf einzahlen, ruft natürlich die lange schlummernde Politik und die ebenso schlafende Kammer auf den Plan. Rein rechtlich ist nichts zu wollen: Amazon ist eine amerikanische AG, und Sitz der europäischen Niederlassung ist eine Steueroase in der EU – wie heißt es so schön? „Così fan tutte! 
Die österreichische Post lässt das Unternehmen hochleben, denn dermaßen viele Pakete hat der Ex-Staatsbetrieb noch nie zustellen müssen/können. Es wäre nicht Österreich, wenn man nicht eine Königsidee gehabt hätte – man muss den Konsumenten ein schlechtes Gewissen anhängen. Jeder hat schon die prämierungswürdigen TV-Spots gesehen, in der ein etwas übergewichtiger Herr in den besten Jahren als „schlechtes Gewissen“ Frau und Herrn Österreicher davon abhalten soll, bei einem ausländischen Anbieter zu bestellen. War sicher nicht billig, aber die Kammer hat es ja. Interessant wäre eine Erfolgskontrolle davon zu sehen, da die Zuwachsraten von Amazon auch in Österreich anscheinend davon unbeeindruckt sind. 
Die Stunde des E-Commerce hat geschlagen. Es gibt Förderungen ohne Ende, es wird allen Läden geraten, ebenfalls einzusteigen, schließlich hat man ein Sortiment. Dass so mancher damit wirbt, dass man das Online bestellte Produkt ohne Probleme gleich im Geschäft abholen kann, macht die Bemühungen ein wenig skurril. Auch aus unsere Branche werden massive Anstrengungen sichtbar – so wirbt Riedel Glas im Fernsehen und in einem Printmedium für seinen Onlineshop, nicht nur mit seinem Image, sondern auch gleich mit 20 Prozent Rabatt. Auch die Gmundner Manufaktur hat das Fernsehen entdeckt und wirbt auch für einen Einkauf via Internet. Beides Unternehmen mit einem hohen Marken-image, die sich da in die Schlacht werfen, begleitet von Werbung in Social Media. 
Es wird daher noch mehr aus dem stationären Handel abfließen, denn so mancher Patriot wird doch beim österreichischen Onlineshop kaufen und einige Produkte, wie z.B. Bücher, hat man schon jetzt teilweise wieder in heimische Gefilde geholt. Wenn es aber nicht gelingt, trotz EU-Recht Steuern für die Lieferungen zu bekommen, werden Einnahmen für den Staat empfindlich leiden, abgesehen davon, dass auch die Verkaufsflächen schrumpfen werden, und das ist auch nicht billig. Es gibt noch kein Konzept, wie man diesen „bösen Wolf“ erlegen könnte, so wie es auch noch kein Konzept für sonstige Schädigungen durch die globale und nationale Digitalisierung gibt. Aber die Appelle: „Jeder, der in heimischen Shops kauft oder bestellt, kann zur Sicherung von heimischen Jobs beitragen“, werden uns noch recht lange begleiten.

Quo vadis 2020?
So haben wir das Heft betitelt, und dabei war das wichtigste an diesem Titel das Fragezeichen. Denn die Corona-Pandemie wird die künftige Entwicklung stark beeinflussen. Was vor dieser Krise in den Strategiepapieren stand, ist Makulatur. Es wird bei vielen Betrieben ums nackte Überleben gehen, es wird, obwohl das derzeit noch viele leugnen, zu einer elendigen Rabattschlacht kommen. Denn die meisten Lager sind voll, die Frühjahrssaison war eindeutig ein Flop, und neue Ware ist im Anrollen. Vieles wird storniert werden können, aber die Hersteller müssen dann diese Ware auch wieder vermarkten – sie dürfen raten, zu welchen Konditionen und wo. Und bei diesem Gemetzel wird der digitale Handel wieder im Vorteil sein, weil er das erste Quartal in vielen Fällen normal bis sehr gut abgeschlossen hat. Der Lebensmittelhandel wird seine Rabattmarkerl-Aktionen unbeeindruckt fortführen und sich mit Spotverkäufen zusätzlich den üblichen Anteil am Kuchen abschneiden. Die Ketten werden den Sparstrumpf öffnen und werden werben, was der Markt hergibt. Wer wird hier wieder vehement in die Bredouille geraten ? Erraten – der mittelständische, stationäre Facheinzelhandel. Natürlich gibt es eine ganze Menge an Einzelkämpfern (Herzliche Grüße an die fast 90-jährige Frau Schramm in Wien-Währing!), die trotz allem ihren Platz behaupten können. Dafür gibt es aber kein Rezept, nur Bewunderung für Einsatz, Werbefreudigkeit und die leider oft nicht vererbbare Nase fürs Geschäft. Apropos – reden wir doch über unsere Branche ….
Die ist ein Sonderfall in allen Bereichen – so sind die meisten Hersteller in den historischen Anfängen eigentlich Kunsthandwerker gewesen. Und die Läden waren speziell in unseren Breiten ursprünglich Läden für Handwerker, meist Spengler oder Glaser, die einen Standort brauchten und daher der Frau Meisterin einen Laden hinstellten, damit sich diese Informations-/Annahmestelle selbst finanzierte. Es ist daher nie verwunderlich gewesen, dass modernes Marketing da meist kein Thema war. Die Nachkriegszeit mit Nachholbedarf und einer Designwelle hat die GPK-Branche noch zusätzlich in lichte Höhen geschwemmt. Aber ausgefuchste Technik und Veränderung der Gesellschaft (Heiratsgut – wer weiß, was das ist?) haben aus den einst so begehrenswerten Produkten das gemacht, was sie heute sind. Wollen Sie aussprechen, was Sache ist? Wir tun uns da schwer, weil wir immer noch daran glauben, dass die schönen Dinge mehr sind als nur Industrieprodukte, dass sie unser Leben bereichern, dass ein liebevoll gedeckter Tisch auch aus der trübsten Diätwoche ein Festmahl machen könnte und dass der Liebesschwur jeder Ehe: „Vereint zu Tisch und Bett“ auch heute noch Bedeutung haben sollte. Aber wer sagt das auch den Millionen KonsumentInnnen, die längst das Wunschdenken nach einer attraktiven, individuellen Tischausstattung aufgegeben haben? Alle erfolgreichen Handelsorganisationen sagen nur, um wieviel billiger man diese bei ihnen bekommt. Kein Wunder, dass jetzt auch unsere Topmarkenhersteller beginnen, ins gleiche Horn zu stoßen.
Leider – denn die Partnerschaft Hersteller und Einzelhandel ist brüchiger denn je. Jeder will das Brot auf beiden Seiten schmieren. Die Diskonter holen sich die Schnäppchen, um sagen zu können „Bei uns ist dieses Markenprodukt um XY % billiger als der Herstellerpreis, früher unverbindlich empfohlener Verkaufspreis“ – und was hört man in den Medien? Nur Blabla und „Bares für Rares“. Die Leute in der Werbung saufen Bier aus der Flasche und werden dabei sehr schön fotografiert. Wir würden uns so freuen, einmal eine Gemeinschaftswerbung zu hören, die sagt: „Nur Arschlöcher trinken Bier aus der Flasche“ – nicht sehr intellektuell, aber wahrscheinlich hörbar. Dafür hat die Kammer leider kein Geld, die muss Inseratseiten in den Tageszeitungen bezahlen, damit die Leute wissen, dass wir schöne Einkaufsstraßen haben. Leider steht nie dabei, was die Leute davon haben …!
Trotzdem, wir haben schon ein paar hundert Jahre überlebt, lasst uns daher weiter hoffen, dass die Industrie die Vielfalt und Breite des stationären Fachhandels wieder entdeckt. Der in kleinen, aber steten Schritten diese Marken eigentlich groß gemacht hat. Vielleicht besinnen sich beide wieder ihrer Stärken: die Hersteller, dass sie mittels Werbung die Nachfrage ankurbeln, die Leute in die Läden bringt, ganz ohne Rabattmarken! Und der Einzelhandel, dass er ohne Aktivitäten in seiner Region nicht mehr wahrgenommen wird. Dass in seiner Verdienstspanne auch die Marktbearbeitung beinhaltet ist und dass ein Werbebudget genauso ein Kalkulationspunkt ist, wie Personal oder Miete! „Think global, act local“! Das sollten sich auch viele Familienbetriebe in ihr Stammbuch schreiben. Also los, geht es an …

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