Donnerstag, 25. November 2021

Warum nur, warum?

         



Foto: Vlada Karpovich | pexels 

Diese Zeile eines alten Schlagers könnte das Leitthema für den derzeitigen Kampf des stationären Handels gegen den enormen Aufschwung des Onlinehandels sein … 

Logische Argumente führen offensichtlich nicht zu diesem Erfolg, und wer sich mit den Gegenbewegungen auseinandersetzt, kommt zum trostlosen Ergebnis: Es ist noch keine wirkungsvolle Gegenkampagne gefunden worden. Nehmen wir die derzeit laufende Kampagne mit dem „schlechten Gewissen“. Hier zeigt sich wieder einmal: Gut gemeint heißt nicht gut gemacht. Für Otto Normalverbraucher ist es ohnehin unklar, warum man beim Onlinekauf ein schlechtes Gewissen haben sollte, wenn die Wirtschaftskammer andererseits propagiert, dass jeder Händler auch einen Onlineshop haben müsste. Wenn derart viele Menschen schon online einkaufen, muss doch was dran sein an diesen Shops, die Leute sind doch nicht blöd und kaufen ungünstig ein – denkt Otto. 
So gesehen sollten eher die Erfinder der Kampagne ein „schlechtes Gewissen“ haben, denn sie haben damit wohl eher die Leute animiert, sich die Onlineshops genauer anzusehen, um ja nichts zu versäumen. Das Ergebnis kann man an den ständig wachsenden Umsatzzahlen der Online-giganten ablesen. Amazon-Chef Bezos feierte jüngst, indem er den ehemaligen „Captain Kirk“ William Shatner in den Weltraum schoss, eine PR-Aktion, die sicher einige hundert Millionen gekostet hat – und ein Zeichen dafür, dass die Gegenkampagnen so gut wie nix bringen. Schon erstaunlich, dass die Erfolgskontrolle einer derartigen Kampagne nicht genauer unter die Lupe genommen wird – hat man sich denn keine überprüfbaren Zielvorgaben gesetzt? 

Es ist bekannt, dass man Charakterwerbung nur in der politischen Propaganda verpacken sollte. Jemand zu diskriminieren, der gerne Schnäppchen einkauft, also dem Sprichwort vertraut „Wo Tauben sind, fliegen Tauben zu“, ist schon etwas naiv. Noch dazu, wo das schlechte Gewissen kaum definiert wird – es ist nur einfach „schiach“. Dass z.B. Amazon wenig Steuern zahlt, ist deren gutes Recht, dass daher die Preise günstiger sein können, also diesen Vorteil genutzt zu haben, ist nichts Illegales. Dass der Abfluss von nationaler Kaufkraft ohne Gegenleistung problematisch ist, das wissen mittlerweile alle, aber politisch ist dieser Umstand im Zeitalter der Staatenbünde nicht zu ändern. Nur der Konsument hätte es in der Brieftasche, pardon, der Hand, bei seinem täglichen Einkauf politisch zu agieren und so die nationalen Finanzen im Lot zu halten – aber sagen kann man das als Exportnation natürlich nicht laut. Und so windet man sich mit einer quasi -
österreichischen Einkaufsplattform und dem berüchtigten Kaufhaus Österreich durch den Dschungel von Kaufmotiven, ohne eigentlich zu wissen, was die Konsumenten antreibt. 
Es lohnt sich für Analysten, die Unterschiede kalt und nüchtern aufzulisten. Denn es erschließt sich kein Motiv, wenn man immer nur davon spricht, dass Online-Shopping bequemer und günstiger sei. Das mag in Einzelfällen schon zutreffen, aber generell? Fakt ist, dass man bei den Onlineshops 24 Stunden pro Tag, sieben Tage pro Woche einkaufen kann. Es wäre interessant, eine Statistik zu haben, an welchen Tagen und zu welcher Uhrzeit bei den Shops Hochkonjunktur herrscht. Dieses süße Geheimnis werden wir wahrscheinlich nie erfahren, denn die Daten würden entweder die These stützen, dass der stationäre Handel seine Öffnungszeiten ändern muss oder bestätigen, dass der Konsument ein Gewohnheitstier ist. In jedem Fall wäre es Munition für die Online--Gegner. 
Onlineshopping ist günstiger? Diese verbreitete Meinung lässt sich derzeit nicht belegen, weil zu viele Vergleichswerte fehlen. Die Frage könnten wahrscheinlich nur die Hersteller beantworten, die ja die Ware liefern müssen und feststellen können, wie die verschiedenen Vertriebskanäle am Markt agieren. Denn noch immer wird in Großvertriebsformen gerne damit geworben, dass einzelne Markenartikel bei ihnen um einen gewaltigen Prozentsatz günstiger, weil in Aktion sind – etwas, das jetzt auch im Onlineshopping merkbar wird. Diese Rabattaktionen tun im Grundsatz allen weh. Den mittelständischen kleinen Detaillisten, die nicht mithalten können, den Versendern, denen für einen bestimmten Zeitraum Teile des Sortiments einbrechen, und den Herstellern, die sich ja schlussendlich an diesen Aktionen mit Sonderkonditionen beteiligen müssen. Aber als Werbeträger sind derartige Aktivitäten meist unverzichtbar, weil sie sich faktisch für den Handel selbst finanzieren und jede Frequenzsteigerung automatisch auf andere Warengruppen durchschlägt. Per Saldo kann man also feststellen, dass nur der mittelständische, stationäre Einzelhandel an derartigen Aktionen selten bis gar nicht profitiert  – also Sie, liebe Leserin, lieber Leser. Sie werden dringend gebraucht, um jemanden zu haben, der als Vergleich herhalten kann, wenn es heißt … um XY% günstiger als die üblichen Herstellerpreise …“, und gemeint sind dabei die „Unverbindlich empfohlenen Verkaufspreise“! Irgendein radikaler, gefrusteter Händler hat einmal gemeint, dass man bei keinem Hersteller mehr einkaufen sollte, der solche Aktionsware liefert. Statistisch gesehen würde er allerdings dann kaum mehr Ware im Geschäft haben – così fan tutte. Also die Preisfrage ist noch nicht entschieden, allerdings vom Sofa aus erscheinen diverse Angebote doch mehr als attraktiv und führen eben zur allgemeinen Meinung, dass man online günstiger kauft. Was im Schnitt stimmen wird, denn wie schon angeführt, zahlen viele der Anbieter kaum Steuer. Und diesen Vorteil haben tatsächlich nur sie.
Da haben Sie also den Grund für das „schlechte Gewissen“. Aber ist der Konsument etwa ein weißer Ritter, der für gerechte Besteuerung kämpft? Sie werden keine Großdemo zusammenbringen, wenn sie dieses Themen auf ihre Fahnen heften. Dem Konsumenten sind die Staatsfinanzen bei seinen Einkäufen nämlich völlig wurst. Und auf einen kompetenten Verkäufer und dessen Beratung pfeift der Konsument von heute bereits in vielen Sparten. Und der leicht gemachte Umtausch ist der Garantieschein für alles, wenn es nicht passt, wenn man in der Zwischenzeit die Freude am Produkt verloren hat … egal, es geht ja. Das kann der stationäre Handel einfach nicht machen, ohne einzugehen. Und die Möglichkeit, auszuwählen und zu bestellen und dabei das Sofa nicht verlassen zu müssen, ohne auf die Uhr zu schauen ist dem freiheitsliebenden Bürger offensichtlich der Verzicht auf das traditionelle Einkaufserlebnis wert.
Jetzt reagiert man mit der Wunderwaffe „Click & Collect“! Dabei muss sich der Konsument nicht mit umsatzgeilen Verkäufern herumschlagen und kann wie im Onlineshop jederzeit im virtuellen Katalog surfen und bestellen. Dann kann er sich seine Bestellung im Laden abholen und – das ist noch nicht ganz so klar – die Ware wieder zurückbringen (schicken geht, glaube ich, nicht) und umtauschen usw. Es klingt ein bisschen nach Schilda, wenn man überlegt, dass man in den Laden geht und sich Ware holt, die man per PC bestellt hat. Aber es fragt keiner, worin der Unterschied zum herkömmlichen Einkauf besteht. Denn wenn man schon im Laden sein muss (Abholung und Öffnungszeiten?), könnte man eigentlich auch probieren und an Ort und Stelle alles fix machen. Wozu der Umweg über den Computer? Aber es wird schon Gründe geben, schließlich haben sich die Megaexperten darüber den Kopf zerbrochen – also los, click & collect! Die Vorteile des Onlineshoppings liegen für die neue Konsumentengeneration auf der Hand, und man kann da machen, was man will – eine staatsbürgerliche Pflichtübung wird man diesen Leuten nicht einreden können. Alle diesbezüglichen Kampagnen kann man sich sparen, dieser Zug ist abgefahren. Was jetzt noch möglich ist, ist Sache der Politik:
Der Versand von Millionen an zusätzlichen Paketen bringt enorme Mengen an Abfall von Versandverpackungen, die im normalen Ablauf nicht angefallen wären. Wer z.B. in Wien während der Pandemie die Abfalltonnen „Papier“ gesehen hat, der wird gemerkt haben, dass die ständig überfüllt waren. Die Einzelzustellungen, die ja nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln abgewickelt werden können, bringen zusätzlichen Verkehr auf die Straßen. 
Das schleichende Sterben von stationären Läden bringt den Immobilienbereich in Schwierigkeiten, wenn nämlich die Ladenmieten weniger werden und die Nachfrage sinkt. In den Einkaufsstraßen sind jetzt sogar schon in guten Lagen Lücken zu erkennen. 
Mit dem Wegfall der Geschäfte gehen auch Arbeitsplätze verloren und damit auch Pensionsbeiträge und Lohnsteuern. Logistik und Digitalisierung des Massenversands ersetzen zwar die Versorgung, nicht aber Menschen, die Beiträge zahlen. 
Und der Industrrie sei ins Stammbuch geschrieben – diese Vertriebsform ist kein Partner mit Handschlagqualität, sondern ein äußerst profitorientiertes Gebilde, dass keine Hemmungen hat, Originale durch Kopien zu ersetzen. 
Wer daher etwas Entscheidendes bei diesem im Moment grassierenden Trend verändern will, der muss bei der Besteuerung der Digitalisierung beginnen und dem Konsumenten glaubwürdige Alternativen anbieten. Das geht nur, wenn auch die Hersteller dafür sorgen, dass mit ihren Produkten nicht auf den Strich gegangen wird, egal, in welcher Vertriebsform. Und vor allem sollte man nicht auch noch den kleinsten Laden dazu animieren, einen Onlineshop auf die Beine zu stellen. Denn wie glaubwürdig wird denn dadurch das sogenannte „Einkaufserlebnis“ mit realen Personen und völlig ohne Click?

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