Dienstag, 18. Oktober 2022

Wirb oder stirb!

   


Foto: Girly Girl69 | Pixabay

Dieser Satz stand seinerzeit am Beginn einer Ausbildung in der Fachschule für Wirtschaftswerbung, wie sie Anfang der 50er-Jahre hieß. Und alle Abgänger gingen damit in die Praxis, die natürlich völlig anders aussah. In unseren Branchen war man der Meinung, dass konzertierte Werbung etwas für Verlierer sei, die kein attraktives Produkt zu bieten hätten … 


Heute ist ohne entsprechende Werbung kein Produkt mehr auf den Markt zu bringen. Über das „Wie“ und das „Wie viel“ gibt es allerdings nach wie vor keine einheitliche Meinung. Die Werbewirtschaft gehört wie Touristik oder Betriebsberatung zu den Branchen, in denen es keine Gewährleistung gibt. Vertrauen ist einfach alles, aber wie viel Prozent ein Unternehmen für Werbung ausgibt, bleibt wohlgehütetes Geheimnis. Das „Wie“ kann man allerdings täglich beobachten, sich auch eine Meinung bilden, welche Kampagne erfolgreich sein könnte. Und so wundert man sich eigentlich, dass erfolgreiche Werbekonzepte nicht von anderen Branchen übernommen werden. Preislich unterbieten hilft da offenbar eher und ist heutzutage fast schon das non plus ultra, wenn man die Medien studiert. 
Aber wieder zurück zu unserer -Sparte – warum hat die GPK-Branche nie wirklich erkannt, was ihr in der Marktkommunikation fehlt? Es ist schon eine ganze Weile her, dass im Ranking der Konsumenten der sogenannte „Gedeckte Tisch“ auf der Einkaufsliste ganz oben stand. Recht gut im Rennen liegen noch zeitgemäße Küchengeräte, die sehr von der Bedeutung des Hobbykochens profitieren, wobei ja die Fernsehköche der natürliche Feind des „schön gedeckten Tisches“ sind. Denn für sie muss das Gericht so angerichtet sein, dass es auch optisch ein Highlight darstellt – was in der „guten alten Zeit“ das traumhafte Porzellan, das Kristallglas und das Silberbesteck geboten hatte. Heute reicht ein weißer Teller oder eine Platte, um einen mehrsternigen Koch glücklich zu machen. „Ich hasse diese Besteckaltäre bei Tisch“ hatte uns seinerzeit ein Haubenkoch im Interview vorwurfsvoll ins Mikro gesprochen und dazu noch gemeint, dass sein Gericht keine Unterstützung durch Geschirr braucht …
Warum wir das hier erwähnen? Weil es mit ein Grund ist, dass die Lifestyle-Gazetten, die früher seitenweise über eine neue Porzellanform des ach so berühmten Designers geschrieben haben, heutzutage kaum mehr Notiz von Neuerungen in der Branche nehmen. Bei anderen Produkten kann man das durch fette PR-Budgets ausgleichen oder auch durch große Events, die sich international publizistisch niederschlagen. Nachberichte über Branchenmessen findet man hingegen fast nur mehr in den den Fachmagazinen, was zwar den stationären Handel und auch Onlineshops und Versandhandel aktuell informiert, nicht aber beim Konsumenten landet – und wer soll dann Trends kreieren?
Wir versuchen hier in erster Linie die Problematik von Werbedefiziten beim stationären Handel zu untersuchen, denn er ist es, der derzeit mit einer großen Anzahl an Mitbewerbern zu kämpfen hat, die, was Marktkommunikation betrifft, einen eklatanten Vorsprung haben. Daher auch der Seitensprung zum Begriff „Trends“, denn solche Trends haben in ihrem Sog meist den stationären und mittelständischen Handel mitgezogen. Man könnte auch von Mode sprechen, wenn es im GPK -Bereich so etwas gäbe. Etwas „modisch“ zu machen wurde auch in unserer Branche versucht, ist aber kaum jemals über ein Strohfeuer hinausgekomen. 
Auch „Cocooning“, dieser Kuscheltrend aus den USA, wurde in unserer Branche kaum wahrgenommen, selbst dann nicht, als einige Wagemutige eine Art Gemeinschaftswerbung im Sog dieser Publikationswelle auf die Beine stellten. Es gab eine Reihe von Aktivitäten, die zwar keine Flops waren, aber trotzdem mangels raschem spürbaren Erfolg schlicht versandeten. Jetzt klammern sich einige an Social Media, mit der Hoffnung, davon zu profitieren – wir nehmen gerne Wetten an, dass auch das kein taugliches Mittel ist, das langsame Verschwinden von Einzelhandelsgeschäften zu verhindern. Influenzer verkaufen nur eines wirklich sehr gut – sich selbst. 
Und immer mehr droht der Onlinehandel breite Käuferschichten zu erobern und nicht mehr herzugeben. Wie man sich massiv dagegen wehrt, zeigt z.B. XXXLutz, die Möbelkette. Dieses Unternehmen hat sich aus kleinen Anfängen in Oberösterreich laut Medienberichten zur Nr. 2 in Europa „hinaufgeworben“. Dass es mittlerweile auch einer der größten GPK-Händler geworden ist, sei nur am Rande erwähnt. Mit einer Weiterentwicklung der aus den USA stammenden Sitcoms hat man durchaus neue Wege in der Marktkommunikation beschritten und schickt die „Familie Putz“ täglich mehrmals in die Wohnzimmer. Ein Mix an Image- und Absatzwerbung, aber immer eingebettet in eine kleine „Seifenoper“ – davon bleibt auch der größte Skeptiker nicht unbeeinflusst. Im Zeitalter der ineinander verschwimmenden Spots im Fernsehen ist das ein besonders großes Rufzeichen, allerdings ein nicht allzu billiges. Die Länge dieser Spots unterscheidet sich doch sehr von den Sparvarianten anderer Werber … 
In den Anfängen der TV-Werbung war es noch Pflicht, die Spots akustisch oder optisch voneinander zu trennen (und auch dafür zu sorgen, dass die Leute nach der Warnung „jetzt kommt die Werbung“ nicht davonliefen). So entstanden in der BRD z.B. die Mainzelmännchen, und der ORF landete mit dem „Untermieter“ mit Otto Schenk und Alfred Böhm einen wahren Volltreffer als Eyecatcher für die Werbung. 
Werbung ist so allgegenwärtig, dass man sich manchmal fragt, ob das Angebotetene vom Konsumenten überhaupt noch aufgenommen wird. Da kann man aber beruhigt sein, das wird sehr genau untersucht, und die großen Printverlage geben einen Menge Geld dafür aus, um zu belegen, wie und wo Werbung gewirkt hat. Beim Fernsehen wird das sogar noch viel akribischer gehandhabt, und jeder Star und jede Agentur zittert vor der Auswertung der Quoten, die oft über die Zukunft der Akteure entscheidet. 
Jede Straßenbahn ist heute bereits Plakatwand, jedes Pfarrblatt hat einen Anzeigenteil, und die regionalen TV-Stationen bieten selbst dem kleinen -Fleischer die Möglichkeit, seine Extrawurst anzubieten. Und hie und da sieht man in einer Sonderrubrik der Gratiszeitungen auch ein Inserat mit GPK-Bezug. Oder auf den Prämienseiten der Zeitungen ein hochwertiges Markenprodukt um einen Schweinepreis – viel mehr ist über die Werbeszene GPK in unseren Breiten nicht zu berichten.
Wir stehen also vor immer größeren Herausforderungen. Die Marktanteile der Onlineshops explodieren förmlich, auch mit dem Motor der Pandemie. Der stationäre Handel verliert in den A--Lagen an Bedeutung, und Ketten setzen sich immer stärker gegen mittelständische Familienbetriebe durch. Und die Hersteller, soferne sie überhaupt noch in Europa produzieren, werden immer abhängiger von den Big Players, die längst global agieren und mit der Dampfwalze über nationale Eigenheiten drüberfahren. GPK oder der „Gedeckte Tisch“ haben massiv an Zugkraft auf dem Markt verloren. Es wird daher wohl kaum massive Gegenwerbung geben, weil es den Herstellern ökonomisch auch nicht so blendend geht. 
Alle, die an dieser Branche interessiert sind,  sollten gegen diesen Trend zur Abwertung antreten. Sei es mit Leserbriefen und Beschwerden gegen die Unsitte, im Fernsehen zu zeigen, dass das Trinken aus einer Flasche chic ist, dass man Kinder ruhig die Teller abschlecken lassen kann usw. Rufen Sie die Sender an, wenn sich in einer Kochshow die Köche beim Anrichten aufführen, als würden sie das Essen zu Gemälden verhunzen, nur um keine Gedecke aus zeitgenössischer Produktion nehmen zu müssen. 
Ihr Hersteller, geht zu den Fotografen der Kochzeitschriften und bietet ihnen eure Produkte für die Fotoproduktionen kostenlos an, wenn man dafür im Fotocredit die Firma nennt. Geht in die Theater und bietet eure Dienste und eure Produkte an, warum sollte nicht im Programmheft stehen: „Tischausstattung Max Mustermann?“ Und hofft, dass es immer mehr Schriftsteller gibt, die in ihren Werken auch über Esskultur, Tischgerät und Gläser schreiben. 
Es gibt sie immerhin schon jetzt – Beispiel: In einem neuen Kriminalroman erkennt der Kommissar, dass: „das Opfer den Besucher nicht gekannt hat, sonst hätte sie ihm den Tee in ihrem guten -Royal Doulton serviert …“.
Und wenn schon Social Media, dann eröffnet doch lieber Blogs ohne Ende und nutzt Microtargeting ausnahmsweise dafür, um die Unarten bei den Esssitten anzuprangern – beweist, dass Tischkultur auch und vor allem Lebensqualität bedeutet und dass es durchaus ein Zeichen von Stil ist, sich mit den schönen Dingen des Alltags zu umgeben. Denn wenn ihr den Leuten etwas Neues verkaufen wollt, dann müsst ihr ihnen zuerst die Freude am Alten nehmen – also auf in den Kommunikationskampf!

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